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Der Jude als Christlicher Wissenschafter

Aus der Oktober 1915-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

The Jewish Journal


In unserm Zeitalter des Skeptizismus (und Skeptizismus im weiteren Sinn bedeutet ein Zurückhalten mit dem Urteil bis nach erfolgter Prüfung einer angeblichen Wahrheit) lassen sich die Menschen im allgemeinen gegenüber allen Fragen, namentlich den religiösen, von der Vernunft leiten und betrachten und wägen, prüfen und erproben eine Sache, ehe sie eine Meinung äußern oder ein Urteil fällen. Durch Erziehung und Erfahrung sind sie gelehrt worden, ihr Heil selbst auszuarbeiten. Sie haben gelernt, daß es eitel ist, zu glauben, man lebe schon allein dadurch dem Willen Gottes gemäß, daß man einen Gottesbegriff von den Vätern geerbt hat, in Gemeinschaft mit Glaubensgenossen lebt, mit ihnen arbeitet und ihr Wohl und Wehe teilt. Religion ist eine Frage, die den einzelnen betrifft, sie ist keine Volksfrage. Die Forderung an die Menschen, „den Grund” anzugeben „der Hoffnung, die in [ihnen] ist,” umfaßt das Beweisen der Wahrheit einer Religion durch ihre Wirkung oder ihren Einfluß aufs tägliche Leben und auf die Lebensführung, statt durch Geschlechtsregister oder soziale und wirtschaftliche Tätigkeit.

Alle monotheistischen Religionen werden zunächst nach ihren Grundlehren beurteilt und sodann nach den Ergebnissen ihrer Anwendung, d. h. nach dem Einfluß, den sie auf ihre Anhänger und durch diese auf die Welt ausüben, wodurch die richtige Erkenntnis Gottes, die wahre Gottesverehrung und somit die Gründung Seines Reiches gefördert wird. Die monotheistischen Religionen weisen in ihren Grundzügen nur geringe Unterschiede auf. Im wesentlichen können diese Grundzüge als die wahre Erkenntnis und Verehrung Gottes und das richtige Verständnis von des Menschen Beziehung zu Ihm bezeichnet werden. Die Anschauungen der Menschen über diese Grundzüge bilden die sogenannte Theologie, d. h. die menschlichen Erläuterungen dieser Fundamentalbegriffe, wie sie in den verschiedenerlei Konfessionen und Sekten feste Gestalt angenommen haben. Es gibt eine ungeheure Zahl solcher Konfessionen, die sich hinsichtlich ihrer Ausdrucksform sehr von einander unterscheiden. Jede beansprucht allen andern überlegen zu sein, und nur zu oft vergessen die Ausleger in ihren Diskussionen, daß Spott, Anmaßung und Selbstüberhebung in unsern Tagen nicht mehr als gewichtige Gründe oder gültige Beweise angesehen werden, und daß es einem Diener des Allerhöchsten bei der kritischen Betrachtung andrer Religionen geziemt, sehr vorsichtig zu sein und Gottes Geheiß an Moses zu beherzigen: „Zeuch deine Schuhe aus von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehest, ist ein heilig Land!” Dies trifft insbesondere dann zu, wenn zur verständnisvollen Betrachtung der vorliegenden Frage eine Kenntnis erforderlich ist, die nur durch Erfahrung und Tatbeweise erlangt werden kann, nicht aber durch bloße Meinungen oder intellektuelle Befähigung.

Ein Mensch, der im jüdischen Glauben geboren und aufgewachsen ist und sich der Christlichen Wissenschaft zuwendet, um schließlich Mitglied dieser Kirchengemeinschaft zu werden, lenkt größere Aufmerksamkeit auf sich und wird mehr befragt als der Bekenner irgendeiner andern Konfession, und zwar hauptsächlich wegen der größeren Abweichungen, die anscheinend zwischen dem jüdischen und dem christlichen Glauben bestehen. Untersuchungen hinsichtlich des Grundes, weshalb so viele Juden sich der Christlichen Wissenschaft zugewandt haben, sind in der Regel zu einer richtigen Antwort nicht gründlich genug gewesen und haben recht häufig zu vorschnellen und unzutreffenden Urteilen und Folgerungen geführt. Die Christliche Wissenschaft kann nicht länger als ein Experiment angesehen werden, noch ist sie eine vorübergehende religiöse Anschauung oder Liebhaberei. Während ihres fünfzigjährigen Bestehens hat sie ihren Wert Schritt für Schritt bewiesen, und gerecht denkende Menschen aller Stände zollen ihr gebührende Anerkennung und sehen in ihr ein religiöses Bekenntnis, das ein Anrecht auf Achtung und auf Beachtung hat.

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